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Ausstellung: Was Krieg anrichtet

Hintergrund
Die Zeichnungen zeigen eine Welt, wie sie erschreckender nicht sein kann. Grosny, Shatoi, Schali, Nasran – Orte eines endlosen Krieges. Für die Kinder und Jugendlichen in Tschetschenien und allen anderen Kriegsgebieten der Welt ist Zeichnen, Malen, Dichten und Tanzen von grosser Bedeutung. Nicht nur Freizeitbeschäftigung, sondern als Möglichkeit, Leid und Bedrängnis nach aus­sen zu formulieren: die Bombardierung des eigenen Hauses, die Zerstörung der eigenen Schule, die Verwüstung des Gartens, in dem man spielte, geblieben als Bombentrichter, die toten Freunde auf der Strasse, die Verschleppung des Vaters und Bruders.

Eine leise Stimme für Tschetscheniens Kinder
Mahnmale gegen Krieg und Zerstörung sind die Zeichnungen tschetschenischer Kinder, die Elisabeth Petersen während ihrer Reisen in den Nordkaukasus in Schulen gesammelt hat. Mahnmale gegen alle Kriege und jegliche Zerstörung.Begleitend dazu hat Petersen eine Fotodokumentation aus dem zerstörten Grosny und den Flüchtlingslagern verfasst. Die ausgestellten Zeichnungen und Fotografien sprechen für sich. In ihrer naiven Darstellung spiegeln sie die brutale Realität, Zerstörung, Hoffnungslosigkeit und die Opfer der Zivilbevölkerung direkt und schonungslos wider. Das mit der Kamera fest­gehaltene Stillleben eines verlassenen Frühstücks- oder Mittagstisches, die zer­bombte Häuserkulisse auf einer Kinderzeichnung – Bilder, die dem alltäglichen Wahnsinn des Krieges ein Gesicht geben.

Zu den Bildinhalten
Wenn Kinder zeichnen, geben sie uns Einblick in ihre Welt, in ihre Gefühle und Erfahrungen, in ihre Seelen. Kinder brauchen und suchen neben den sprachlichen auch motorische Ausdrucksmöglichkeiten. Mit dem Malen und Zeichnen ordnen sie die verwirrende Fülle der visuellen Eindrücke und bewerten ihre Lebenswelt persönlich und emotional. Einschneidende Ereignisse werden so geformt oder gefärbt wiedergegeben, dass sich Schlüsse auf die Befindlichkeit des Kindes und seine gefühlsmäßige Verarbeitung des Erlebnisses ziehen lassen. Jedes der Bilder wäre es wert, es unter diesem Aspekt genauer zu betrachten. Hingewiesen sei an dieser Stelle nur auf drei Motivgruppen: 

  • Ein erstes immer wiederkehrendes Motiv ist die Zerstörung der Städte und das sich anschliessende armselige Leben in den Ruinen und Lagern.
  • Ein zweites Motiv beinhaltet akute Lebensgefährdungen, z.B. dass die Kinder Säuberungen miterleben mussten, d.h. ein Verwandter – vielleicht der Vater – von russischen Soldaten brutal von der Familie entfernt wurde oder grausame Ereignisse in Dörfern, Städten oder während der Flucht.
  • Ein drittes Motiv ist die Sehnsucht der Kinder nach Ruhe, Schönheit und vor allem Normalität. Diese Bilder, auf denen wir die satten Wiesen der kaukasischen Gebirgswelt sehen oder dort bekannte Wildblumen als Stillleben auftauchen, sind wohl Mittel zur Entlastung der verletzten Seelen.

Brief eines Kindes
«Ich heisse Fatima. Ich bin 10 Jahre alt. Ich bin in der 4. Klasse und lebe im tschetschenischen Dorf Chattuni. Seit ich mich überhaupt erinnern kann, gibt es Krieg. Der Krieg hat mir alles genommen. Unser Haus und Stall sind verbrannt. Im Stall waren Ziegen, Hühner, Kühe und ein Junges. Sie sind lebendig verbrannt. Dann nahm mir der Krieg das teuerste – meinen Vater. Er war alles für mich, Vater und Mutter. Er hat mich vom fünften Tag nach meiner Geburt erzogen. Er starb kurz vor meinem fünften Geburtstag. Ich habe in meinem Herzen für immer seinen Blick. Er war an seinem letzten Tag auf der Welt bei mir. Er starb so früh, erst 33 Jahre alt. Ich war erst fünf. Aber ich erinnere mich an seine Worte, an seine Witze, Lieder, die er mir sang. Erwachsene denken, dass Kinder nichts verstehen. Das ist nicht so. Nach dem Tod des Vaters kauften wir eine Wohnung in Grosny und sind dort hin gezogen. Aber der zweite Krieg zerstörte auch sie. Nichts ist von ihr geblieben. Der Krieg ist für mich das Schlimmste, was es geben kann, der Krieg hat mir alles genommen. Meine Freundinnen haben einen Vater und eine Mutter. Ich habe weder einen Vater noch eine Mutter. Ich wünsche, dass kein Kind und kein Erwachsener den Krieg kennenlernen muss. Ich hasse den Krieg. Ich will Frieden.»

Die Initiantin

Die Initiantin 
Idee, Konzept und Realisation der Ausstellung stammen von Elisabeth Petersen. Sie ist Juristin und Dozentin in Zürich und Präsidentin des Forums für Zeitzeugen. In den letzten Jahren engagierte sie sich für verschiedene Friedensprojekte sowie humanitäre Einrichtungen in Tsche­tschenien (Schulen, Bibliotheken, Waisenhäuser, Nähwerkstätten. Bildungsberatung) Afghanisten, dem Irak und ermög­lichte fünf tschetschenischen Jugendlichen eine Schulausbildung in der Schweiz. Zwei von ihnen leben bei ihr.